Bedeutung des Themas
Statistisch gesehen sind in Deutschland mindestens ein bis zwei Schülerinnen oder Schüler in jeder Klasse von sexualisierter Gewalt betroffen. Täter und Täterinnen stammen häufig aus dem näheren familiären und sozialen Umfeld der Betroffenen. Hierbei stellen nicht nur Übergriffe durch Erwachsene, sondern auch durch andere Kinder und Jugendliche ein erhebliches Risiko dar. In zunehmendem Maße finden Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt mittels digitaler Medien statt (vgl. UBSKM 2023).
Schule als sicherer Ort
Da Schule der Ort ist, den alle Kinder und Jugendlichen verpflichtend besuchen, kommt ihr als Schutzraum gegen sexualisierte Gewalt eine außerordentlich hohe Bedeutung zu. Schule hat dadurch nicht nur den Auftrag, Wissen und Kompetenzen zu vermitteln, um die Schülerinnen und Schüler zu stärken, sondern auch sichere Rahmenbedingungen zu schaffen.
Sexualisierte Gewalt als weit gefasster Begriff
„Sexualisierte Gewalt“ ist hierbei weit gefasst zu verstehen. Sie beginnt bei Grenzverletzungen, die in der alltäglichen Interaktion häufig beiläufig und verbal geschehen, und reicht über Belästigungen bis hin zu strafrechtlich relevanten Tatbeständen wie sexueller Nötigung und Vergewaltigung. In der Schule erfordern bereits Grenzverletzungen Aufmerksamkeit und niedrigschwelliges pädagogisches Handeln, da sie andernfalls den Boden bereiten für weitere Übergriffe. Dies gilt umso mehr für den Fall, wenn strafrechtlich relevante Tatbestände im schulischen Kontext vorliegen.
Schule als Kompetenzort
Um Schülerinnen und Schüler vor sexualisierter Gewalt schützen und betroffene Schülerinnen und Schüler erkennen und unterstützen zu können, braucht es an allen Schulen eine Kultur des Hinsehens und Hinhörens.
Diese wird begünstigt, wenn alle an der Schule tätigen Personen mit Wissen zum Thema sexualisierte Gewalt und mit Handlungssicherheit ausgestattet werden.
Kein Raum für Missbrauch
Eine Schule, die das oftmals tabubehaftete Thema der sexualisierten Gewalt benennt und im Schulleben sichtbar macht, macht damit deutlich, dass sie über Handlungsstrategien zur Prävention und Intervention verfügt. Sie positioniert sich damit klar gegen jegliche Art von Übergriffen. Dadurch werden die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler und gegebenenfalls auch die Sicherheit der in der Schule tätigen Erwachsenen erhöht. Gleichzeitig werden potenzielle Täter oder Täterinnen abgeschreckt.
Prävention durch Stärkung der Schülerinnen und Schüler
Die Forschung zeigt, dass „sozial kompetente Kinder und Jugendliche […] seltener Opfer [werden] und […] seltener übergriffig bzw. Täterinnen und Täter [sind]“ (vgl. Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen §4.2 Satz 14). Deshalb sind die Sensibilisierung für Grenzverletzungen sowie die Stärkung von Empathiefähigkeit und Selbstbewusstsein zentrale Bestandteile der bestehenden Erziehungskonzepte an bayerischen Schulen und in den Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung festgeschrieben (vgl. Fröhlich-Gildhoff, Klaus & Rönnau-Böse, Renate (2014): Was Kinder stärkt: Erziehung zwischen Fürsorge und Freiheit. 2. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz, Seite 45).
Schutzkonzepte erhöhen das Handlungswissen
Schutzkonzepte verankern Prävention und Intervention in der Schule und beinhalten jeweils konkrete Maßnahmen und Handlungsleitfäden. Ein in der Schule erarbeitetes und in der Schulfamilie allen bekanntes Schutzkonzept reduziert Unsicherheiten und Ängste, die mit dem Thema einhergehen, und fördert ein respektvolles und achtsames Miteinander. Es bietet im Bedarfsfall konkret Unterstützung für das erforderliche Vorgehen und leistet damit einen wichtigen Beitrag, dass Betroffenen rasch und kompetent Hilfe zuteil wird.
Keine Schule fängt bei Null an
Durch die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule, die fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele sowie durch die verschiedenen Anknüpfungspunkte in den Lehrplänen aller Schularten werden die Schulen in Bayern dem Anspruch, ihre Schülerinnen und Schüler zu starken und kompetenten Personen zu erziehen, in hohem Maße gerecht.
Alle Schulen in Bayern haben aufgrund der pädagogischen, organisatorischen und rechtlichen Expertise ihrer Beschäftigten und im Rahmen der bislang bereits bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen vielfältiges Erfahrungs- und Handlungswissen im Bereich der Gewaltprävention und -intervention. Ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt bündelt diesen Erfahrungsschatz und ergänzt ihn gegebenenfalls um noch fehlende Aspekte.
Zielsetzung des Portals
Dieses Portal will jeder Schule praxisbezogene und handlungsorientierte Hilfestellung dabei geben, ein individuelles, auf ihre konkrete Ausgangslage und Bedarfe zugeschnittenes Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt zu erstellen. Bereits vorhandene Strukturen zum Schutz und zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern können damit systematisch aufgegriffen und Schritt für Schritt durch noch fehlende Bausteine ergänzt werden. Der Schwerpunkt dieses Portals liegt auf der Bereitstellung von konkreten Vorschlägen und Materialien, die den Schulen und den im Schulbereich tätigen Kooperationspartnern als Arbeitsgrundlage dienen und an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden können.
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